Sandra Weber im Interview
„Unverträglichkeiten sind auch eine Folge unseres modernen Lebensstils“
Eine gestörte Darmflora oder Unverträglichkeiten sind längst keine Seltenheit mehr. Das weiß auch Dr. Sandra Weber, die sich auf die Behandlung von Darmproblemen spezialisiert hat. Wir haben sie nach den häufigsten Ursachen gefragt, was Unverträglichkeiten für unsere langfristige Gesundheit bedeuten und wie wir trotzdem gesund essen können, auch wenn wir viele gesunde Lebensmittel nicht vertragen.

Dr. Sandra Weber
Die Medizinerin ist Expertin für ganzheitliche Gesundheit, Darmgesundheit und Ernährung.
Wie kommt es, dass so viele Menschen an einer Unverträglichkeit leiden?
„Unsere moderne Ernährung spielt eine zentrale Rolle: Hochverarbeitete Lebensmittel, Zusatzstoffe und Umweltgifte belasten unseren Darm erheblich, können der Darmschleimhaut schaden und Entzündungen fördern. Gleichzeitig führt ein Mangel an Ballaststoffen in der Ernährung dazu, dass das Darmmikrobiom aus dem Gleichgewicht gerät. Neben der Ernährung spielt auch chronischer Stress eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Verdauungsproblemen wie u. a. Unverträglichkeiten. Anhaltender mentaler Stress beeinflusst über die Darm-Hirn-Achse das Mikrobiom maßgeblich. Ebenso können Bewegungsmangel und Medikamente wie Antibiotika, Schmerzmittel oder die Antibabypille die Zusammensetzung des Darmmikrobioms negativ beeinflussen. Schließlich belasten ungesunde Schlafgewohnheiten das Immunsystem und erhöhen den Cortisolspiegel, was wiederum Einfluss auf die Darmgesundheit nimmt.“
Viele Zusatzstoffe belasten den Darm:
Künstliche Süßstoffe wie Sucralose, Saccharin oder Aspartam
Zusatzstoffe wie Farbstoffe, Verdickungsmittel (z. B. Carrageen, E 407) und Konservierungsmittel (z. B. Kaliumsorbat, Natriumbenzoat)
Schädliche Stoffe wie Weichmacher aus Kunststoffen, Mikroplastik aus Verpackungen, Tenside aus Spülmitteln oder Schadstoffe aus der Umwelt
Transfette, die durch starkes Erhitzen von Ölen und Fetten beim Braten und Frittieren entstehen und sich in Chips, Pommes und Fertigkost finden
Was bedeuten Unverträglichkeiten für unsere langfristige Gesundheit?
„Unverträglichkeiten und ein gestörter Darm können die Aufnahme essenzieller Mikronährstoffe erheblich reduzieren. Menschen mit Glutenunverträglichkeit, Zöliakie oder anderen Darmproblemen wie einer Histamin- oder Fruktoseintoleranz leiden häufig unter Nährstoffmängeln. Diese Mängel können zu Anämie, Müdigkeit, Schwäche, Störungen des Immunsystems und neurologischen Problemen führen. Ein geschwächtes Immunsystem ist wiederum anfälliger für chronische Entzündungen, was u. a. zur vermehrten Ausschüttung von Stresshormonen führen und sich negativ auf den gesamten Hormonhaushalt auswirken kann.“
„Unsere Darmflora ist ein Spiegel unserer Essgewohnheiten.“
Reicht eine gesunde Ernährung aus, Darmprobleme in den Griff zu bekommen?
„Eine gesunde und ausgewogene Ernährung ist die erste Grundlage für eine gute Darmgesundheit. Ein ganzheitlicher Ansatz, der neben der Ernährung auch andere Faktoren wie Stressabbau, ausreichend Schlaf, regelmäßige Bewegung und einen kritischen Umgang mit Medikamenten mitberücksichtigt, wirkt allerdings am effektivsten, um Darmprobleme langfristig in den Griff zu bekommen.“
Was empfehlen Sie, wenn viele gesunde Lebensmittel nicht vertragen werden?
„Ein Ernährungstagebuch kann helfen, mögliche Auslöser zu identifizieren und Schmerzen oder unangenehme Blähungen zu vermeiden. Eine Eliminationsdiät, also das Weglassen von Lebensmitteln, behandelt jedoch lediglich die Symptome und nicht die Ursachen. Es ist entscheidend, das Darmmikrobiom und die Darmschleimhaut mithilfe eines ganzheitlichen Ansatzes zu stärken, um Lebensmittelunverträglichkeiten erfolgreich anzugehen. Das geht ganz leicht mit unserem Mikrobiom-Guide rechts.“
Essen für ein gesundes Mikrobiom – Sandras 7 Tipps
1. Kochen und abkühlen
Heller Reis, Kartoffeln, Süßkartoffeln und Nudeln liefern mehr Ballaststoffe in Form von resistenter Stärke, wenn man sie kocht und danach für 12 Stunden abkühlt. Auch wenn man sie wieder erwärmt, bleibt die darmgesunde resistente Stärke erhalten.
2. Vollkorn Zeit geben
Halten Sie nach einem Bäcker Ausschau, der seinen Broten lange Gehzeiten gönnt. Studien zufolge werden schwer verdauliche Bestandteile während dieser Zeit abgebaut, sodass sogar Reizdarmpatienten diese Vollkornbrote vertragen.
3. Gemüse im Ofen garen
Sie vertragen wenig Gemüsesorten? Probieren Sie mal Paprika, Aubergine & Co. schonend im Ofen zu garen. Auch langes Schmoren auf dem Herd macht viele Gemüsesorten verträglicher, die roh oder blanchiert schwer verdaulich sind.
4. Löffelweise Ballaststoffe
Geben Sie über Joghurt, Müsli, Suppen, Salate und Pfannengerichte einen Löffel geschrotete Leinsamen oder gekochte Linsen, um Ihre Ballaststoffzufuhr einfach zu erhöhen.
5. Richtig kombinieren
Bei Kohl und Zwiebeln macht die Menge den Unterschied. Starten Sie mit Pak Choi, Kresse, Spitzkohl, Schalotten und Schnittlauch, die oft in kleinen Portionen verträglich sind, und kombinieren Sie Brokkoli & Co. mit milden Sorten wie Möhren, um Ihren Darm wieder daran zu gewöhnen.
6. Verschiedene Sorten und Zubereitungen
Die Verträglichkeit ist auch abhängig von der Sorte und Zubereitung. So ist z. B. Chinakohl der mildeste Vertreter der Kohlarten. Er hat fast ganzjährig Saison und kann sowohl roh als auch gegart gegessen werden. Hülsenfrüchte extra lange einweichen – je länger die Einweichzeit, umso mehr reduzieren sich schwer verdauliche Zuckermoleküle.
7. Gesunde Unterstützung
Unterstützen Sie Ihre Ernährung mit allen wichtigen Mikronährstoffen, wenn der Darm angegriffen ist und daher ein erhöhter Bedarf besteht oder viele Obst- und Gemüsesorten nicht gut vertragen werden.