Zum Inhalt springen
lavita.com
Interview
28.10.20255 Min. Lesedauer

Lisa Hamsch im Interview

Belastbar bleiben, wenn’s stressig wird – Expertin zeigt, wie’s gelingt

Termindruck, mentale Erschöpfung, ständiges Funktionieren – viele halten durch, bis nichts mehr geht. Doch Belastbarkeit ist keine Frage von Härte, sondern von guter Selbstführung. Dieser Artikel zeigt, wie Sie mit kleinen, alltagstauglichen Veränderungen Ihre innere Stabilität zurückgewinnen – bevor der Akku leer ist.

 
 
Lisa Hamsch
 

Lisa Hamsch

Die Biophysikerin und psychologische Beraterin ist seit Jahren als Gesundheits-Redakteurin tätig und zeigt anschaulich, wie wir mit kleinen Gewohnheiten glücklicher und gesünder leben.

 
 

Wir alle stehen regelmäßig unter Druck. Termine, To-do-Listen, private Verpflichtungen – manchmal bleibt kaum Zeit zum Durchatmen. Und doch gibt es Menschen, die auch in solchen Phasen erstaunlich ruhig und gelassen bleiben. Was ist ihr Geheimnis?

Oft liegt es nicht an einer besonderen Willenskraft oder einer stoischen Persönlichkeit, sondern an einem Lebensstil, der Belastbarkeit möglich macht. Denn körperliche und mentale Widerstandskraft sind nicht angeboren – sie entstehen durch alltägliche Entscheidungen.

Wir haben unsere LaVita-Expertin Lisa Hamsch gefragt, welche Faktoren eine Rolle spielen und was Sie tun können, um Ihre Resilienz zu erhöhen und belastbarer zu werden.

 

Stress, Druck, ständige Anforderungen – viele fühlen sich am Limit, manche bleiben trotzdem innerlich stabil. Was macht den Unterschied?

„Der Unterschied liegt nicht darin, dass manche einfach mehr aushalten, sondern darin, wie sie mit Belastung umgehen. Viele denken, Belastbarkeit heiße: stark sein, funktionieren, durchziehen. Aber das stimmt so nicht. Belastbar ist, wer sich selbst gut regulieren kann. Wer spürt, wann es zu viel wird – und dann etwas verändert. Das können kleine Pausen sein, ein klarer Fokus, gute Selbstfürsorge. Es geht um die Fähigkeit, immer wieder ins eigene Gleichgewicht zurückzufinden. Wer seine inneren Ressourcen stärkt, ist für Herausforderungen besser gewappnet.“

 

Sie sprechen von inneren Ressourcen und der Fähigkeit, ins Gleichgewicht zurückzufinden – ist das im Grunde das, was man heute unter Resilienz versteht?

„Ja genau. Man kann Resilienz als eine Art ‚Immunsystem der Psyche‘ sehen. Während Belastbarkeit oft mit Durchhaltevermögen gleichgesetzt wird, beschreibt Resilienz die Fähigkeit, mit Herausforderungen so umzugehen, dass man nicht nur durchhält, sondern sich auch wieder erholt – und manchmal sogar wächst. Ursprünglich stammt der Begriff aus der Werkstoffkunde – dort beschreibt er Materialien, die nach einer Belastung in ihre ursprüngliche Form zurückkehren. Übertragen auf uns Menschen heißt das: Resiliente Personen geraten zwar auch unter Druck, schaffen es aber, sich schneller zu erholen, Rückschläge zu verarbeiten und sogar gestärkt daraus hervorzugehen. Und diese Fähigkeit ist erlernbar – durch bewusste Strategien, gute Gewohnheiten und den Aufbau innerer Ressourcen.“

 

Resilienz lässt sich also stärken – aber wie genau sieht das im Alltag aus? Was hilft wirklich, um belastbarer zu werden?

„Da gibt es tatsächlich einige sehr wirkungsvolle Hebel. Studien zeigen, dass sich bestimmte Gewohnheiten direkt auf unsere psychische Belastbarkeit auswirken – also auf die Fähigkeit, mit Druck und Herausforderungen gut umzugehen. Dazu zählen vor allem:

  • Mentale Strategien wie Achtsamkeit, realistische Zielsetzung oder der bewusste Umgang mit Gedankenmustern. Wer sich regelmäßig fragt: Was kann ich gerade beeinflussen – und was nicht? wird weniger von Stress überwältigt.

  • Bewegung, idealerweise regelmäßig und moderat. Schon 30 Minuten Spazierengehen, Pilates oder Radfahren am Tag wirken wie ein natürliches Stressventil.

  • Schlaf und Regeneration – denn Belastung an sich ist oft nicht das Problem – sondern fehlende Regeneration. Wer dauerhaft über seine Kräfte lebt, kann keine Resilienz aufbauen. Der Körper braucht Phasen der Erholung, um sich zu stabilisieren.

Und ein Aspekt, der oft vergessen wird: die Ernährung. Sie hat einen viel größeren Einfluss auf unsere psychische Belastbarkeit, als viele denken.“

 

Inwiefern spielt die Ernährung eine Rolle für unsere Belastbarkeit? Wie genau beeinflusst sie denn, wie gut wir mit Stress umgehen?

„Unser Gehirn verbraucht rund 20Prozent der täglichen Energie und ist auf eine kontinuierliche Versorgung mit Nährstoffen angewiesen. In stressreichen Phasen macht sich eine unausgewogene Ernährung besonders schnell bemerkbar: Reizbarkeit, Konzentrationsschwäche, Stimmungstiefs oder das Gefühl, „leer“ zu sein, sind oft direkte Folgen. Viele greifen dann reflexartig zu Kaffee, Süßem oder Snacks – was kurzfristig pusht, aber die Energie- und Stimmungskurve noch mehr aus dem Gleichgewicht bringt. Es entsteht ein Teufelskreis aus Reizbarkeit, Erschöpfung und Unzufriedenheit.

Was wirklich hilft, ist eine ausgewogene Ernährung: Komplexe Kohlenhydrate für stabile Blutzuckerwerte und gleichmäßige Energie über den Tag verteilt. Hochwertige Proteine unterstützen die Regeneration und die Bildung von Neurotransmittern im Gehirn. Gesunde Fette, vor allem Omega-3-Fettsäuren, fördern die Gehirnleistung und wirken entzündungshemmend. Und nicht zuletzt Mikronährstoffe wie Magnesium, B-Vitamine und Vitamin D – sie sind essenziell für Konzentration, Nervenkraft und emotionale Ausgeglichenheit.“

 

Gibt es denn wissenschaftliche Belege, dass bestimmte Mikronährstoffe unsere psychische Belastbarkeit wirklich stärken?

„Ja, die gibt es tatsächlich. Eine große Meta-Analyse1 hat untersucht, wie sehr sich eine Mikronährstoff-Ergänzung auf Stress, Stimmung und psychisches Wohlbefinden auswirken kann: Diejenigen, die Vitamine und Spurenelemente gezielt ergänzten, berichteten deutlich seltener von Stresssymptomen, Stimmungsschwankungen oder leichten depressiven Verstimmungen – im Vergleich zu denen, die keine Supplemente nahmen. Die Studienautor:innen kamen zu dem Schluss, dass eine ausreichende Versorgung mit wichtigen Nährstoffen einen spürbaren Beitrag zur psychischen Belastbarkeit leisten kann. Gerade wenn der Alltag stressig wird, lohnt es sich also umso mehr, auf reichlich Mikronährstoffe zu achten.“

 

Nährstoffe, die Ihr Nervenkostüm stärken

Neben einer stabilen Energieversorgung braucht der Körper gezielt Mikronährstoffe, um mit Stress gut umgehen zu können. Besonders wichtig sind:

  • Magnesium, das Nerven und Muskeln unterstützt.

  • B-Vitamine, die den Energiestoffwechsel und die Bildung von Neurotransmittern (Serotonin, das „Glückshormon“) fördern.

  • Vitamin D, das stimmungsaufhellend wirkt – gerade im Herbst und Winter häufig kritisch.

  • Omega-3-Fettsäuren, die entzündungshemmend wirken und die Gehirnfunktion unterstützen.

Eine nährstoffreiche Ernährung ist also mehr als „gesund“ – sie ist eine Grundlage dafür, belastbar zu bleiben, wenn es darauf ankommt.

 
 

Was möchten Sie unseren Leserinnen und Lesern zum Schluss mitgeben?

„Belastbarkeit ist nichts, was uns einfach zufällt – sie entsteht, wenn wir bewusst auf unsere eigenen Ressourcen achten. Das bedeutet nicht, dass wir immer stark sein müssen, sondern vor allem, dass wir gut für uns sorgen: körperlich, mental und emotional. Ernährung, Bewegung und Schlaf sind die Basis dafür, wie stabil wir durch den Alltag kommen. Je besser wir uns selbst versorgen, desto mehr Kraft haben wir – für andere und vor allem für uns selbst.

Und dabei muss nicht alles perfekt sein. Es reicht, klein anzufangen: ein gutes Frühstück statt nur Kaffee, ein kurzer Spaziergang an der frischen Luft oder eine Pause, die wirklich Pause ist. Jede Veränderung ist ein Schritt zu mehr innerer Stärke und Leichtigkeit.“

 
 
  • 1

    Long SJ, Benton D. Effects of vitamin and mineral supplementation on stress, mild psychiatric symptoms, and mood in nonclinical samples: a meta-analysis. Psychosom Med. 2013 Feb;75(2):144-53